100 JahreLindenhof

Stele 3 – Reglinstraße

Blick in die damalige Lindengasse um 1920, die seit der Umbenennung 1931 bis heute Reglinstraße heißt. Die Reihenhäuser in der Reglinstraße hatten eine Besonderheit: Vorbauten, die in ihrer Form an eine chinesische Pagode erinnerten, weswegen die Bewohner sie auch „Chinesenhäuschen“ nannten. Der Vorbau hatte funktionelle Gründe, denn darin waren die Toiletten der Einfamilien-Reihenhäuser untergebracht. Der direkte Ausgang aus der Wohnung auf die Straße hatte zudem einen praktischen Nutzen im Hinblick auf gute Belüftung von WC, Küche und Bad, die sich direkt an den Vorbau anschlossen.

Martin Wagner, der Architekt des Lindenhofs, nahm hier bewusst eine Trennung von Badezimmer und WC vor, denn das Bad diente nicht nur der Körperpflege, sondern hatte auch Aufgaben zu erfüllen, die ursprünglich der Küche zugedacht waren, wie Geschirrspülen oder Wäschekochen. Dadurch, dass diese geruchs- und feuchtigkeitsintensiven Tätigkeiten nicht mehr in der Küche stattfinden mussten, konnte die Küche nun auch als Wohnraum genutzt werden, was dem Anspruch des Neuen Bauens in der damaligen Zeit entsprach. Die Toilette im Bad hätte also dessen Nutzung für Haushaltstätigkeiten stark eingeschränkt. Mit dieser räumlichen Trennung erreichte Wagner eine optimale, funktionale Ausnutzung des vorhandenen Wohnraums, wobei auch ökonomische Gründe für diese Lösung sprachen, da ein einziger Versorgungsstrang sowie Schornstein für alle drei Nassräume ausreichten, was die Baukosten für die Häuser senkte. Allerdings hatte die ausgelagerte Toilette auch einen Haken: Im Winter musste der Raum vor Vereisung geschützt werden, indem man abends die Kohlen aus dem Küchenofen holte und in Töpfen und Schüsseln in das „Chinesenhäuschen“ brachte. Die Verzahnung der drei Nassräume mag aus heutiger Sicht als eher unbequem erscheinen, für die damaligen Bewohner hatte dies jedoch einen großen praktischen Nutzen.

In der Bombennacht vom 23. zum 24. August 1943 wurden fünf der ursprünglich zwölf Häuser in der Reglinstraße mitsamt den Vorbauten zerstört, wobei die verbliebenen vier „Chinesenhäuschen“ nach anfänglicher Substanzerhaltung beim Wiederaufbau 1953 entfernt wurden. Die zerstörten fünf Häuser wurden als Mehrfamilienhäuser wiederaufgebaut, allerdings mit zusammengelegten Aufgängen, was sich heute an den Eingangstüren und an den Treppenhausfenstern erkennen lässt, die sich von den erhalten gebliebenen Einfamilien-Reihenhäusern unterscheiden. Das ebenfalls zerstörte Torhaus zur Suttnerstraße wurde – etwas nach hinten versetzt – durch einen modernen Zeilenbau mit PKW-Stellplätzen ersetzt, außerdem wurden die Mietergärten zu Grünflächen umgewandelt, da sie nicht mehr ins städtebauliche Konzept der Nachkriegsmoderne passten. Zum Thema Mietergärten finden Sie an Stele 4 des Rundgangs nähere Informationen.

Optisch dem Originalzustand entsprechen die Häuser erst seit dem 100-jährigen Jubiläum 2019 unserer Genossenschaft, denn im Rahmen des „runden Geburtstags“ wurden sie nach historischem Vorbild wiederhergestellt, das heißt weiß getüncht und mit angedeuteten „Chinesenhäuschen“ versehen: Vor den Einfamilienhäusern, wo noch zwei Eingänge vorhanden sind, entstanden gemauerte Pagodendächer, bei den Mehrfamilienhäusern wurden mit Glasdach versehene Vorbauten errichtet. Zusätzlich wurden die angrenzenden Gartenbereiche neu gestaltet und um die historischen Pergolen erweitert, sodass sich bei den Häusern in der Reglinstraße quasi das Beste aus Vergangenheit und Moderne miteinander vereint.

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