100 JahreLindenhof

Stele 1 – Ledigenheim/Geschäftsstelle

Das Ledigenheim, das von Bruno Taut entworfen wurde und 1919 zusammen mit den ersten Häusern des Lindenhofs erbaut worden war, bot 120 kostengünstige, aber sehr kleine Ein-Zimmer-Wohnungen und fungierte als Eingangstor in die Siedlung Lindenhof. Bruno Taut war ein mit Martin Wagner befreundeter Architekt, der 1880 in Königsberg geboren wurde und 1938 in Istanbul an den Folgen einer Lungenerkrankung starb. Durch das Gebäude, das der Stadt Berlin zugewandt war, gelangte man von der Nordostseite des Lindenhofs in die Suttnerstraße als zentrale Achse der Siedlung, die zum Weiher führte.
Der burgähnliche Charakter des Gebäudes spiegelte die Abschottung des zur damaligen Zeit abgelegenen Lindenhofs als Kolonie wider und schuf eine sichtbare Wirkung von Außen und Innen. Im Erdgeschoss befanden sich neben Läden auch ein Restaurant, ein Clubraum und ein großer Festsaal, der den Bewohnern des Heims wie auch der ganzen Lindenhof-Siedlung offenstand. Im Ledigenheim hatte bis 1929 auch die Geschäftsstelle der Genossenschaft Lindenhof e.G. ihren Sitz.

Der Clubraum und der Festsaal des Ledigenheims waren im expressionistischen Stil gestaltet. Taut hatte die mit ihm befreundeten Künstler Paul Goesch und Franz Mutzenbecher dafür engagiert. Dargestellt wurden Szenen der genossenschaftlichen Gemeinschaft. Der avantgardistische, progressive Stil war jedoch von Anfang an umstritten. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden noch im selben Jahr die Räume durch den neuen Pächter umgestaltet.

Im Zweiten Weltkrieg wurden große Teile des Ledigenheims bei einem Luftangriff 1943 zerstört. Die verbliebene Ruine des Mittelbaus wurde nach Kriegsende im Vorfeld des Wiederaufbaus beseitigt.

Anstelle des zerstörten Ledigenheims wurde ab 1953 im Rahmen des Wiederaufbaus der Siedlung Lindenhof ein siebengeschossiges Wohn- und Gewerbegebäude in der Eythstr. 45 errichtet. Das von den Architekten Franz-Heinrich Sobotka und Gustav Müller entworfene „Punkthaus“, wie der Bau wegen seiner charakteristischen runden Fenster auch genannt wird, entspricht den planerischen Idealen der Nachkriegsmoderne und schottet den Lindenhof nicht mehr von der Außenwelt ab, sondern gibt den Blick und den Weg in die Suttnerstraße frei. Dennoch greift das Gebäude die Funktion des ehemaligen Ledigenheims wieder auf, indem – ebenfalls in den 1950er-Jahren – dort ein Restaurant mit Saal entstand, um den Bewohnern des Lindenhofs einen Raum für Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. Außerdem wurde die Eythstr. 45 zum Sitz der Genossenschaft. 2005 erfolgte die Sanierung des gesamten Komplexes und die Errichtung eines gläsernen Anbaus.

Die Ecke Eythstr./Domnauer Straße, wo sich der ehemalige Hauptteil des Ledigenheims befand, wurde im Rahmen des Wiederaufbaus der Siedlung Lindenhof nicht bebaut. Erst 1977 entstand in dieser Baulücke ein sechs- bis siebengeschossiger Neubau mit 68 Wohnungen. Der freie Zugang zur Suttnerstraße und zum Lindenhof blieb durch eine Überbauung erhalten.

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